Brief an Landkreis AUR

Im April 2024 haben niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wegen der sich – insbesondere nach Schließung des Krankenhauses Norden – drastisch weiter verschlechternden Situation der Gesundheitsversorgung einen Brief an die Kreisverwaltung und den Kreistag Aurich geschickt.

Hier der Brief im Wortlaut:

Abs.: die unterzeichnenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte

c/o   Dr. med. Axel Schönian

Hauptstraße 59

26524 Hage

 

An:         -Landkreis Aurich, Herrn Landrat Olaf Meinen, Fischteichweg 7-13, 26603 Aurich

-Landkreis Aurich, Erster Kreisrat, Herrn Dr. Frank Puchert, Fischteichweg 7-13, 26603 Aurich

-SPD-Kreistagsfraktion Aurich, Herrn Johannes Kleen, Juister Straße 21, 26639 Wiesmoor

-CDU-Kreistagsfraktion Aurich, Herrn Sven Behrens, Bürgermeister-Erdmann-Straße 4, 26524 Berumbur

-Bündnis 90/ Die Grünen-Kreistagsfraktion Aurich, Frau Gila Altmann, Fischteichweg 7-13, 26603 Aurich;

Herrn Gunnar Ott, Beltenkampstraße 5, 26607 Aurich

-FDP-Kreistagsfraktion Aurich, Frau Sarah Buss, Graf-Edzard-Straße 8, 26603 Aurich

-Freie Wähler-Kreistagsfraktion Aurich, Frau Hilde Ubben, Rehweg 19, 26607 Aurich

-AfD-Kreistagsfraktion Aurich, Herrn Jan Looden, Gerhard-de-Buhr-Ring 28, 26736 Krummhörn

-Die Linke im Kreistag Aurich, Frau Blanka Seelgen, Marktstraße 19, 26603 Aurich

 

02.04.2024

Sehr geehrter Herr Landrat Meinen, sehr geehrte Damen und Herren,

wir niedergelassene Ärzte aus Norden und Umgebung machen uns große Sorgen über den aktuellen und künf­tigen Zustand der Gesundheitsversorgung vor Ort. Der Landkreis Aurich vernachlässigt seit Jahren die Daseins­vorsorge im Altkreis Norden, indem er die Versorgung am Krankenhaus Norden vorsätzlich zerstört (Beispiele dazu siehe Anlage).

Da wir niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die desolaten Zustände der Gesundheitsversorgung in Norden nicht kompensieren können, fordern wir vom Landkreis Aurich, der Trägergesellschaft und den kommunalen Politikern feste Vereinbarungen für das Niveau der medizinischen Versorgung in Norden. Die Forderungen im Einzelnen:

  • Bis zur Inbetriebnahme der Zentralklinik ist die Einrichtung einer Basisnotfallversorgung in Norden un­erlässlich. Diese beinhaltet unter anderem Innere Abteilung, Chirurgie, Intensivsta­tion mit mindestens 6 Bet­ten, davon 3 Beatmungsbetten, Schockraum, Röntgen und CT und ist 24 Stunden täglich an 7 Ta­gen die Woche vorzuhalten.Über diese Basisnotfallversorgung hinaus ist der Erhalt von Palliativ- und Schmerzstation sowie der Psy­chiatrie im Krankenhaus Norden für die Versorgung der Bevölkerung nötig.

 

  • Alle ansässigen operativ tätigen Ärztinnen und Ärzte müssen die Möglichkeit haben, im Kran­kenhaus Norden ambulant zu operieren und Belegbetten zu bekommen. Die Vertragsab­schlüsse dazu dürfen von der Verwaltung nicht mehr verhindert werden. Vertragsangebote sind von der Verwaltung spätes­tens innerhalb von 3 Monaten nach Anfrage durch den Nie­dergelassenen zu erstellen mit dem Ziel, dass ein Vertrag zustande kommt.

 

  • Im Krankenhaus Norden ist eine Endoskopie regelmäßig vorzuhalten.

 

  • Der Kommunikationsstil muss sofort geändert werden. Alle Beteiligten – also Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter, Arztpraxen, Rehakliniken, Medien / Presse, Arbeitgeber, Bevölkerung, Touristen – müssen regelmäßig umfassend und wahrheitsgemäß über die Versorgungssitua­tion am Krankenhausstandort Norden informiert werden.

 

  • Der bisher bei der Trägergesellschaft und dem vom Landkreis Aurich betriebenen MVZ lie­gende Anteil der Gesundheitsversorgung in Norden ist dergestalt umzustrukturieren, dass die Entscheidungsgewalt nicht bei Politikern und Gesundheitsfunktionären liegt, sondern schwer­punktmäßig bei fachkompeten­ten Personen vor Ort. Zu diesem Kreis gehören insbesondere die niedergelassenen Ärzte aller Fachrich­tungen aus der Umgebung sowie Patientenvertreter. Als erster Schritt könnte eine entsprechende Um­besetzung des Aufsichtsrates stattfinden.

 

  • Solange die genannten Strukturen in Norden noch nicht aufgebaut sind, muss der Landkreis Aurich je­dem Bürger, der eine Behandlung in einem Krankenhaus benötigt, unbürokratisch die Taxifahrt zu ei­nem leistungsfähigen ostfriesischen Krankenhaus und wieder zurück nach Hause finanzieren, sofern der Rettungsdienst nicht das geeignetere Transportmittel ist.

Wir bitten um Ihre Stellungnahme.

Bitte teilen Sie uns mit, ob und wie Sie die aktuelle Situation der stationären Versorgung und der Not­fallversor­gung am Krankenhausstandort Norden verbessern wollen und werden.

Wir bitten um eine Antwort möglichst bis zum 20.04.24

Mit freundlichem Gruß

Gezeichnet:

Waldemar Bill, Facharzt für Allgemeinmedizin, Norden

Tatjana Bilostotska, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norden

Dr. med. Falko Bode, Facharzt für Innere Medizin, Norden

Thorsten Bomhard, Gynäkologe, Norden

Dr. med. Christiane Freese, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norden

Dr. med. Alexander Göbel, Orthopäde, Norden

Georg von Hove, Facharzt für Allgemeinmedizin, Norden

Holger Klar, Facharzt für Innere Medizin, Norden

Dr. med. Ralf Kleinschmidt, Augenarzt, Norden

Birgit Konieczka, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hage

Ebba Limmer, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hage

Dr. med. Christian Lönne, Facharzt für Allgemeinmedizin, Großheide

Dr. med. Wilfried Lüdeking, Facharzt für Kinderheilkunde, Norden

Dr. med. Susanne Modemann, HNO-Ärztin, Norden

Gerhard Moser, Facharzt für Kinderheilkunde, Norden

Enno Mühlenstedt, Facharzt für Allgemeinmedizin, Norden

Dr. med. Bernd Neumann-Schönwetter, Facharzt für Allgemeinmedizin, Norden

Dr. med. Steffen Petermann, Facharzt für Innere Medizin, Hage

Dr. med. Michael Schmid, Facharzt für Innere Medizin, Norden

Dr. med. Axel Schönian, Facharzt für Innere Medizin, Hage

Dr. med. Anika Scholle, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norden

Tobias Sickermann, Facharzt für Allgemeinmedizin, Norden

Dr. med. Thomas Weyel, Urologe, Norden

Eva Wortberg, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hage

Mareike Ziegler, Neurologin, Norden

Reiner Albers, Facharzt für Allgemeinmedizin, Dornum

Dr. med. Reinhard Böhlen, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Norden

Dr. med. Franziska Kleemann, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Dornum

Hildegard Maas, Fachärztin für Innere Medizin, Norden

Dr. med. Oliver Reisdorf, Facharzt für Innere Medizin, Norden

Bernd Schwitters, Gynäkologe, Norden/Esens

Jan-Enno Taute, Facharzt für Allgemeinmedizin, Rechtsupweg

Matthias Vey, Gynäkologe, Norden

1 Anlage

 

 

 

 

Anlage: Beispiele, die verdeutlichen, wie der Landkreis Aurich seine Aufgabe der Daseinsvorsorge in Bezug auf die Gesundheitsversorgung im Altkreis Norden missachtet.

 

 

Die Krankenhäuser in Norden, Emden und Aurich sollen durch eine Zentralklinik ersetzt werden, für die noch nicht einmal der Grundstein gelegt ist. Entgegen regelmäßig geäußerter Zusagen, dass die 3 Krankenhäuser bis zur Inbetriebnahme der Zentralklinik mit mindestens einer Grundversorgung erhal­ten bleiben, wurde diese am Standort Norden bereits am 1.7.23 eingestellt. Damit werden ca. 70.000 Einwohner im Einzugsbereich von Nor­den und viele Touristen (allein über 2 Millionen Übernachtun­gen jährlich in Norden-Norddeich + Tagesgäste) von der stationären und von der Notfallversorgung vor Ort ausgeschlossen. Die nächsten Krankenhäuser der Grundversorgung sind über 30 Kilometer entfernt.

 

Wir erleben seit vielen Jahren eine Verschlechterung der stationären internistischen und chirurgi­schen Versor­gung – insbesondere durch Streichungen im Krankenhaus Norden. Aktuell ist das Niveau der Versorgung im freien Fall – uns ist völlig unklar, wie der Endzustand aussehen soll. Wir fragen uns, ob die Verantwortlichen des Landkreises Aurich selber wissen, wie der Endzustand der Versorgung in Norden sein wird.

 

Der Krankenhausträger handelt immer wieder inkompetent und unkooperativ, dies möchten wir kurz mit einer Auswahl an Beispielen belegen:

 

Wir erleben ständig Intransparenz:

-Streichungen im Krankenhaus Norden werden weder den Arztpraxen noch der Klinikbelegschaft und auch

nicht der Bevölkerung von der Klinikleitung mitgeteilt. Wir erfahren von Verschlechte­rungen meist über infor­melle Kontakte oder von unseren Patienten, die den Wegfall von Leistun­gen selbst erlebt haben. Es gibt sehr viele Beispiele dafür, hier nur einige:

-die Streichung der Stelle eines Rheumatologen (Dr. Kabisch) vor mehr als 10 Jahren.

-die Versetzung von Dr. Raytarowski (Chefarzt und Gastroenterologe) aus Norden nach Aurich.

-die Schließung der Kinderstation sowie einer chirurgischen Station.

-der Wegfall aller belegärztlichen Behandlungen im Krankenhaus Norden (u.a. Urologie, HNO)

-die fehlende Information über die aktuellen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten am Stand-­

ort Norden – die sich zum Teil wöchentlich ändern – aber regelmäßig nicht kommuni­ziert wer­den (es waren z.B. nach dem 1.7.23 noch Elektrokardioversionen, Herniotomien, Wundversorgungen und vieles andere möglich – die Leitung veröffentlicht nicht, ob das noch möglich ist und wenn, zu wel­chen Zeiten).

-die Eröffnung einer kardiologischen Sprechstunde in Norden mit 10 Stunden/Woche (Di + Do 13-18 Uhr ab

dem 2.2.24) wird in Presseerklärungen als Fortschritt angepriesen. Verschwiegen wird da­bei, dass die volle mit einem Kardiologen besetzte Chefarztstelle mit Ermächtigungsam­bulanz (16 Stun­den/Woche) zum 31.12.23 gestrichen worden ist. Es handelt sich also tatsäch­lich um eine Verschlechte­rung der Ver­sorgung in Norden.

 

Versprechen werden regelmäßig nicht gehalten:

-Die Geschäftsführung um Claus Eppmann und Dr. Astrid Gesang hat mehrfach zugesagt, dass alle 3 Standorte

(Norden, Emden, Aurich) stabil weitergeführt werden und geordnet in eine Zentralkli­nik über­führt werden. Im Gegenteil wurde der Standort Norden immer weiter herunter- und ge­zielt an die Wand gefahren (u.a. Verset­zung vom Chefarzt Dr. Raytarowski von Norden nach Au­rich, damit Verlust der vollen Weiterbildungs­ermächti­gung „Innere Medizin“ und „Gastroentero­logie“, deshalb haben sich keine neuen Assistenzärzte mehr in Nor­den beworben, darum waren viele teure Honorarärzte nötig. Die Verwaltung führt die gestiege­nen Kosten jetzt als Grund für die Schließung an, obwohl sie den Kostenanstieg selbst verursacht hat).

-Bei den Bürgerentscheiden, in denen über eine Zentralklinik abgestimmt wurde, wurde immer deutlich for-­

muliert, dass die Versorgung vor Ort in allen 3 Kliniken bis zur Inbetriebnahme der Zentralklinik gewährleis­tet ist und dass nach Eröffnung der Zentralklinik eine Notfallversorgung in den 3 betroffenen Städten erhal­ten bleibt. Beides wird in Norden bereits jetzt nicht eingehalten. Die Grund- und Regelversor­gung im Kran­kenhaus Norden ist geschlossen.

-Die Politik und die Verwaltung im Landkreis haben ebenfalls den Erhalt der Grundversorgung an den 3 Stand-­

orten wiederholt zugesichert und unter anderem im Gebietsänderungsvertag zwi­schen den Kreisen Aurich und Norden sowie im Konsortialvertrag zwischen dem Landkreis Au­rich und der Stadt Em­den schriftlich fi­xiert. Diese Verträge werden jetzt mit der Schließung der Grundversorgung gebrochen.

 

Der Landkreis Aurich (mit Trägergesellschaft, Kreisverwaltung und den Politikern der großen etablierten Par­teien) ist an einer Gesundheitsversorgung im Altkreis Norden offensichtlich nicht interessiert:

-unter Verweis auf die wirtschaftliche Situation wurde und wird die Gesundheitsversorgung in Norden in un­-

verantwortlicher Weise heruntergefahren. Demgegenüber war vor wenigen Jahren jedoch noch ausrei­chend Geld für Investitionen in Aurich vorhanden:

-die schlecht laufende Gynäkologie und Geburtshilfe in Aurich wurde durch einen teuren Austausch der

Führungsriege wieder funktionstüchtig gemacht. In Norden und Emden ist die entspre­chende Abteilung bei einer weniger schlimmen Krise jeweils geschlossen worden.

-in Aurich wurde vor wenigen Jahren eine kardiologische Abteilung mit Herzkatheterlabor neu aufgebaut,

obwohl es bereits seit Jahren ein Herzkatheterlabor in Leer (30 km entfernt) und Westerstede (42 km) gab. Da die Führungsriege in der Auricher Kardiologie anfangs inkompe­tent war, wurde auch sie bereits nach einem Jahr ausge­tauscht.

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